Die Entstigmatisierung weiblicher Sexualität – eine gestalterische Herangehensweise
Weibliche Sexualität schamlos explorieren & ausleben
Ein goWo*Man-Gastbeitrag von Lisa Amann & Nikola John (7. Semester Kommunikationsgestaltung)
Eine Kernkompetenz von Kommunikationsgestalter:innen ist es, komplexe Sachverhalte nutzerspezifisch aufzubereiten, um sie somit verständlicher, und sogar sichtbarer zu machen. Eines dieser komplexen Sachverhalte ist die gesellschaftliche Akzeptanz der weiblichen Sexualität. Auch wenn wir mithilfe feministischer Arbeit schon einige Errungenschaften verzeichnen konnten, sind wir noch lange nicht so weit, sagen zu können, dass sich Frauen und weiblich gelesene Menschen schamlos mit ihrer Sexualität auseinandersetzen – oder diese ausleben können.
Stigma: weibliche Sexualität
Die meisten Menschen existieren, weil davor zwei andere Menschen Sex hatten. Da wir in unserem Alltag stetig mit sexualisierten Darstellungen konfrontiert werden scheint es, als wäre Sex und Nacktheit ein unumgängliches Thema, an das Menschen gewöhnt sind. Die Realität sieht leider anders aus. Sex ist auch im 21. Jahrhundert immer noch ein politisches Thema, ein schambehafteter Akt, der präferiert in den Bereich des Privaten fällt und dadurch vor allem für Menschen des weiblichen Spektrums eine stigmatisierende Wirkung hat. Eine Stigmatisierung bezeichnet in der Soziologie einen Prozess, in dem bestimmte Individuen durch andere Individuen bestimmten Kategorien zugeordnet werden. Dabei werden tatsächliche oder vermutete Eigenschaften einer Person negativ bewertet. Im Kontext der weiblichen Sexualität kann somit von „Stigmatisierung“ gesprochen werden, da sich das Narrativ „Frauen haben kein Lustempfinden“ oder „Frauen brauchen keine Orgasmen um Spaß an Sex zu haben“ über Jahrtausende hinweg etabliert hat. Durch Sexualmoral, monotheistische Religionen und das Beziehungsmodell der Ehe hat sich der weibliche Körper und die weibliche Sexualität zu einem schamhaften Tabuthema entwickelt. Geschichtlich betrachtet, wurden und werden Frauen, die von diesem Narrativ abwichen, gesellschaftlich ausgegrenzt, verachtet und im schlimmsten Fall sogar getötet.
Normalisierung als Schritt in die richtige Richtung
Was einer Stigmatisierung entgegenwirken kann, ist die Normalisierung des betroffenen Themas. Gestalterisch kann eine Normalisierung mithilfe verschiedener Aspekte ermöglicht werden. Indem wir Wissen vermitteln, eine offene Kommunikation fördern und die Rahmenbedingung für eine emotionale Auseinandersetzung schaffen, ermöglichen wir, dass sie Frauen und weiblich gelesene Menschen schambefreit mit ihrer Sexualität auseinandersetzen können. Wissensvermittlung (Information Design), Kommunikationskonzepte (Communication) und das Gestalten von erlebbaren Erfahrungen (Experience Design) sind Designdisziplinen, die von Gestalter:innen angegangen werden können, ohne von der Größe der Zielgruppe oder Brisanz des Themas erdrückt zu werden. Wissenslücken und Tabuthemen haben mitunter den größten Einfluss auf die Wahrnehmung der weiblichen Sexualität. Patriarchale Strukturen sind gesellschaftlich so manifestiert, dass internalisierte Denkmuster hinterfragt und Erlebnisse reflektiert werden müssen.
Indem Wissen vermittelt wird, dass Aspekte wie Anatomie, sexuelle Identität, Lust und Übergriffigkeit abdeckt, kann ein schamloser Zugang zur eigenen und fremden Sexualität ermöglicht werden. Das Fördern offener Gespräche, die zur persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema motivieren, hilft dabei, sowohl sprachliche wie auch emotionale Hemmungen abzubauen und das Thema zu normalisieren.
Hier findest du unsere Herangehensweise im Detail:
Wir als Gestalter:innen sollten uns bewusst mit gesellschaftlich polarisierenden Themen auseinandersetzen, denn durch unsere Vermittlungskompetenz besitzen wir eine Verantwortung, die es uns ermöglicht die öffentliche Wahrnehmung von brisanten Themen positiv mitzugestalten und unseren Teil zu einer diversen und gleichberechtigten Gesellschaft beizutragen.