Zwischen Mensch und Technik
Schneller technologischer Wandel macht zukünftige Entwicklungen kaum kalkulierbar. Die Technik wird kleiner, günstiger und gelangt immer näher an den menschlichen Körper. Doch was passiert, wenn der Mensch mit der Maschine physisch verschmilzt?
Basierend auf der Erkenntnis, dass sich die Beziehung zwischen Mensch und Technik verändert, beschreibt Anna Foltinek in ihrem Online-Vortrag „Cyborg-Centered Design“ die Auswirkungen und Veränderungen für den Gestaltungsprozess, wenn statt eines Menschen ein Cyborg in den Fokus gestellt wird.
Doch was ist eigentlich ein Cyborg? Der Begriff des Cyborgs setzt sich laut Foltinek aus den Wörtern Cybernetic und Organism zusammen. Es beschreibt die Erweiterung von Lebewesen durch künstliche Komponenten. Der technologische Fortschritt führt dazu, dass Computer immer näher an unseren Körper rücken und die Technik zum Teil der menschlichen Identität und Individualität wird. Aber wie weit sollte diese Erweiterung des Körpers gehen?
Die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung von Gestaltung, insbesondere im Kontext digitaler Technologien, beschäftigt Foltinek schon länger. Ihr Vortrag basiert auf der Master-Abschlussarbeit, die sie im Jahr 2018 an der HfG fertigstellte. Gemeinsam mit ihren Kommilitoninnen Josephine Rais und Lea Schwegler widmete sie sich dem Thema „Cyborg-Centered Design – die Gestaltung des durch Technik erweiterten Menschen der Zukunft“.
Im Fokus ihrer Arbeit steht der Cyborg und der Stellenwert der Cyborgisierung im Design sowie die Ableitung neuer Potentiale und Aufgaben für zukünftige Gestalter. In ihre Betrachtung fließen sowohl theoretisches Wissen mit Erkenntnissen aus Futurologie, Biochemie, Neurologie, Soziologie und Science-Fiction als auch empirisches Wissen aus Interviews und Feedback von Expert*innen und Gestalter*innen mit ein. Cyborg-Centered Design inspiriert zur thematischen Auseinandersetzung, belegt die Relevanz von Gestaltung unter dem Aspekt der Cyborgisierung und bildet die Grundlage für eine erweiterte Betrachtung und Vertiefung.
Das Projekt ist über den Rahmen der Arbeit hinaus auf der Website design-cyb.org als Aufklärungs- und Inspirationsmedium mit einem einführenden Animationsfilm verfügbar.
Anna Foltinek, die zurzeit bei der finnisch-stämmigen Innovationsberatung Futurice tätig ist, versteht Gestaltung als ein Prozess, der Methoden und Darstellung als Werkzeuge der Vereinfachung nutzt, mit dem Ziel Transparenz zu schaffen. Dabei sieht sie Kommunikation als größte Herausforderung und Schlüssel zugleich.
Die Interaktionsdesignerin stellt in ihrem Vortrag nicht nur mögliche Zukunfts-Szenarien vor, sondern betont gleichzeitig die Wichtigkeit der Debatte über Chancen und Risiken der Cyborgisierung. Für Foltinek sind Designer*innen das Bindeglied zwischen den verschiedenen Disziplinen und Spekulationen über die Zukunft helfen, mögliche Probleme, Bedürfnisse und Chancen aufzuzeigen, welche Cyborgs in Zukunft mit sich bringen werden.
Foltinek, die nach ihrem Bachelor den Masterstudiengang Strategische Gestaltung an der HfG studierte, diskutierte anschließend mit den Anwesenden über die Verantwortung von Gestalter*innen und wie die Abschlussarbeit und das damit verbundene Wissen ihren aktuellen Job beeinflusst. Die HfG-Absolventin gab einen umfassenden Einblick in ein komplexes Thema, das viel Diskussionspotenzial besitzt.
“Cyborg-Centered Design macht in besonderer Weise klar, welchen Einfluss Gestalter durch das nutzbar und empfänglich machen von Technologien auf die Veränderung der menschlichen Kultur haben. Mir persönlich hat die Arbeit am Thema klar gemacht, wie groß die Verantwortung von Gestaltung ist. Ich hoffe, dass wir durch unsere bisherigen Workshops oder Vorträge wie diesem, Studierende dazu inspirieren, sich diesem kritischen und relevanten Thema zu nähern“, so Foltinek zum Abschluss.