Tim Brown – Enjoy it! It’s not so serious

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Kaum vorstellbar, dass ein erfolg­rei­cher Desi­gner nicht immer einen Schritt weiter ist, wenn er an die aktu­ellen Heraus­for­de­rungen und Entwick­lungen im Design denkt. So auch Tim Brown, lang­jäh­riger CEO und nun Vorsit­zender des globalen Design- und Inno­va­ti­ons­un­ter­neh­mens IDEO und stell­ver­tre­tender Vorsit­zender des kyu Coll­ec­tive, Ehren­doktor des Art Center College of Design in Pasa­dena (USA) und der Keiō-Univer­sität (Tokio), sowie Autor des zum Stan­dard­werk gewor­denen Buches Change by Design“, das Design Thin­king bei führenden Unter­nehmen auf der ganzen Welt einge­führt hat. Bei seinem Besuch an der Hoch­schule für Gestal­tung (HfG) Schwä­bisch Gmünd disku­tierte Brown mit insge­samt rund 250 Zuhörer*innen und dem lang­jäh­rigen IDEO Partner Leif Huff, seit Oktober des letzten Jahres Professor für Produkt­ge­stal­tung an der HfG, über die Rolle von Desi­gnern und die Zukunft der Design-Ausbildung.


Komple­xität als Heraus­for­de­rung: Für Tim Brown ist die Über­win­dung der Simpli­fi­zie­rung eine Haupt­auf­gabe des aktu­ellen Design­pro­zesses. I have a hypo­thesis that, partly because of the comple­xity of the problems we’re facing, that we find it even more chal­len­ging to think long-term. So I do think that this is a chall­enge I would post for design“, so Brown. Das Ziel müsse daher sein, Komple­xität und lang­fris­tiges Denken wieder zusam­men­zu­bringen – und in diesem Zusam­men­hang auch das Arbeiten in analogen Räumen und Prozessen. Hier zeige sich die Krea­ti­vität jenseits wieder­hol­barer Algo­rithmen. Nur dies könne dazu führen, Unter­nehmen wieder inter­es­sierter an Design zu machen – und der Welt zu zeigen, dass Design durch Beob­ach­tung und Umset­zung die Welt zu einem besseren und span­nen­deren Ort machen könne. For me the essence of design is the tension between the idea and the expres­sion of the idea. You cannot just do one of those well and have good design. You can have a wonderful idea but if it’s just an idea, it doesn’t achieve anything in the world. You can have a wonderful expres­sion but if it isn’t brin­ging anything new, if it isn’t moving the world forward in some way, then how important is it really? It might be lovely, it might be beau­tiful, but it’s just another version of some­thing that might already exist. So that rela­ti­onship between the quality of the idea and the quality of the expres­sion is what design is all about.“ 


Design als Team­ar­beit und Führungsaufgabe

In seinen Ausfüh­rungen legte Brown den Fokus auf die gestal­te­ri­schen Chancen, die sich aus den aktu­ellen Tendenzen ergeben. Heraus kam ein Abend, der die Heraus­for­de­rungen benannte, ohne den Kopf deshalb in den Sand zu stecken. So bedau­erte Brown zwar den Rück­gang des indus­tri­ellen Inter­esses am Design – hervor­ge­rufen durch die Pandemie, die finan­zi­ellen Unsi­cher­heiten und die Fokus­sie­rung auf Tech­no­lo­gien wie KI. Aber: Gleich­zeitig gäbe es mehr gut ausge­bil­dete Desi­gner als jemals zuvor, die zuneh­mend auch eigene Unter­nehmen grün­deten. Allge­mein hofft Brown auf mehr Desi­gner in Führungs­po­si­tionen: Dies könnte lang­fristig die Art verän­dern, wie Unter­nehmen denken und agieren.

Design, so Brown, müsse wieder verstärkt als Team­ar­beit verstanden werden. Für Desi­gner bedeute das vor allem eine enge Vernet­zung: mit Experten anderer Diszi­plinen, die unter­schied­liche Sicht­weisen in den Design­pro­zess einbringen könnten. Mit Menschen in Führungs­po­si­tionen, die bereit seien, lang­fristig zu denken und mensch­liche Werte wie Nach­hal­tig­keit einzu­binden. Aber auch inner­halb von Teams, in denen ambi­tio­nierte Ideen nicht aus Angst vor einem Miss­erfolg aufge­geben würden. Because some­times, we get so concerned about getting ever­y­thing right that we stop being ambi­tious. We stop pushing. We stop taking risks. And I think, in order to be ambi­tious, we have to be willing to mess it all up occa­sio­nally and not succeed .”

Erfolg wiederum kann für Brown in der Zukunft vor allem aus dem Zusam­men­spiel verschie­dener Faktoren entstehen: Die Inte­gra­tion von Quer­ein­stei­gern aus anderen Fach­ge­bieten können die in einen Design­pro­zess einflie­ßenden Sicht­weisen viel­fäl­tiger werden lassen. Die genaue Beob­ach­tung wahr­nehm­barer Alltags­pro­bleme könne wirk­lich gesell­schafts­ver­än­dernde Lösungen hervor­bringen. Und das Imple­men­tieren lang­fris­tiger Desi­gn­op­tionen könne auch soziale Denk­pro­zesse in Frage stellen. When we’re desig­ning products I think we’re going to have to find mecha­nisms for imagi­ning products over much longer periods of time. We’re also going to have to move beyond our kind of fasci­na­tion with having too many choices. I think we’re going to have to figure out what the right balance is between having enough choices but not having so much that it is inevi­tably and incre­dibly wasteful.“ 

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Möglich­keiten und Grenzen der KI in zukünf­tigen Designprozessen

Neben diesem Multi-Gene­ra­tional-Design sieht Tim Brown unter anderem einen effi­zi­enten Ressour­cen­kreis­lauf als eines der wich­tigsten Design­ziele der Zukunft an. Dies erfor­dere neue Mate­ri­al­wis­sen­schaften und eine verbes­serte Infra­struktur für die Rück­füh­rung und Wieder­ver­wen­dung von Produkten. Gerade im Bereich der Mate­ri­al­ent­wick­lung erkennt Brown inno­va­tive Möglich­keiten für künst­liche Intel­li­genz. Diese müsse vor allem als Werk­zeug für die Ausfüh­rung von Projekten betrachtet werden, was den mensch­li­chen Faktor in der Ideen­ent­wick­lung umso wich­tiger mache. I’m not one to believe that AI won’t be able to produce things that we haven’t seen before, but I’m fairly sure AI won’t know that it’s created things that we have seen before. And so: human designs will need to be part of that process. That’s some­thing that gives me hope.“ Gerade in der Zusam­men­ar­beit mit KI sei die Fähig­keit von Desi­gnern, neu zu denken und krea­tive Lösungen zu entwi­ckeln, uner­läss­lich. Gleich­zeitig müssten sich Desi­gner verstärkt der Frage widmen, wie die mensch­liche und tech­no­lo­gi­sche Inter­ak­tion zwischen Mensch und KI gelingen könne.

Am Ende des zwei­stün­digen Abends beschrieb Tim Brown Design als eine Lebens­weise, die stän­dige Erneue­rung und die Möglich­keit biete, die Welt aktiv mitzu­ge­stalten. Trotz aller Heraus­for­de­rungen sollten Desi­gner nie den Spaß und die Neugier am krea­tiven, manchmal auch spie­le­ri­schen Prozess verlieren. There is one capa­city that you, as desi­gners, have that the world is in massive shortage of: the confi­dence and ability to genui­nely think about new things. The world is full of people who are really good at looking back­wards — analy­zing what already exists, under­stan­ding it, and making small impro­ve­ments. But there are very few people who are truly good at thin­king about new things. That ability — your ability — to imagine new possi­bi­li­ties is a super­power. It’s some­thing the world needs, and will always need. We have to be thoughtful about how we apply it, but it will always be essential.” 

Deshalb sollten sich zukünf­tige Desi­gner nicht den Mut durch Rück­schläge oder die aktu­ellen, auch gesell­schaft­li­chen Heraus­for­de­rungen nehmen lassen. No matter how hard it might feel some­times, whether it’s acqui­ring the skills, winning the work, getting the job, or whatever: That privi­lege of crea­ting the world for others, that is mind-blowing. And I think… very few people in the world get to do that. But we’re lucky enough to be able to do it. So here’s the thing: Enjoy it. It’s not so serious.“