Das Denken in Lösungen

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Wie können nicht­in­va­sive, medi­zi­ni­sche Diagnosen für Betrof­fene verständ­li­cher gemacht werden? Welche Möglich­keiten gibt es, gegen Fast Fashion oder Fast Furni­ture-Trends vorzu­gehen? Mit welchen Tools können Flug­lotsen, Logo­päden oder Kata­stro­phen­helfer besser unter­stützt werden, wie kann die NS-Zeit für Jugend­liche zugäng­lich und nach­haltig vermit­telt werden und welche Erfah­rungen haben Flüch­tende aus der Ukraine 2022 gemacht? Über 70 verschie­dene Abschluss­ar­beiten wurden bei der dies­jäh­rigen Semes­ter­aus­stel­lung der Hoch­schule für Gestal­tung (HfG) Schwä­bisch Gmünd präsen­tiert. So unter­schied­lich ihre Themen­felder sind – sie alle eint eine gemein­same Frage: Wie können Gesell­schaft und Umwelt voran­ge­bracht werden?

Vor jede Lösung hat die Suche nach einem Abschluss­pro­jekt den Studie­renden der HfG ein Problem gestellt. Ein gesell­schaft­li­ches, tech­ni­sches, medi­zi­ni­sches, soziales oder wirt­schaft­li­ches Problem, für das sie eine Lösung finden wollten. Und gefunden haben. Ein Plug-and-Play Antriebs­system beispiels­weise, das Oldtimer auf einen elek­tri­schen Antrieb umrüsten kann („E‑Timers“, Ulrich Schober, Studi­en­gang Produkt­ge­stal­tung). Eine digi­tale App, die Menschen mit Hörhilfen unter­stützt, indem sie per intui­tiver Smart­phone-Bedie­nung und mithilfe künst­li­cher Intel­li­genz einzelne Stimmen von störenden Neben­ge­räu­schen trennt („Voice Select“, Malte Fial und Johannes Roth­kegel, Studi­en­gang Inter­ak­ti­ons­ge­stal­tung). Ein Spiel mit analogen und digi­talen Inhalten, das von Dysgram­ma­tismus betrof­fene Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahren bei ihrer logo­pä­di­schen Therapie begleitet („Fyra“, Natalie Gröner, Janna Hooge­straat, Janina Kunkel, Studi­en­gang Kommu­ni­ka­ti­ons­ge­stal­tung). Eine inter­ak­tive Stadt­aus­stel­lung, die thema­ti­siert, wie Koha­bi­li­ta­tion, also zum Beispiel das Zusam­men­leben von Mensch und Tier in der Stadt, neu gedacht und zukunfts­wei­send gestaltet werden kann („Nava“, Laura Seid und Lisa Käppler, Studi­en­gang Stra­te­gi­sche Gestal­tung). Oder ein Design, das Ästhetik und Repa­ra­tur­mög­lich­keit zusam­men­denkt, indem es durch austausch­bare Filter, abnehm­bare Kabel und leicht zugäng­liche Verschlüsse auch Laien ermög­licht, Geräte nicht wegzu­werfen, sondern wieder instand zu setzen („Repai­rable Design“, Stefanie Kurtz­rock, Produktgestaltung). 

113 Studie­rende in den drei Bache­lor­stu­di­en­gängen der HfG sowie 13 Studie­rende im Master­stu­di­en­gang Stra­te­gi­sche Gestal­tung“ haben in Winter­se­mester 2024/2025 an ihren Abschluss­ar­beiten gear­beitet – sehr oft koope­rativ. Die HfG steht für Vernet­zung: Die Vernet­zung von Studium und ange­wandter Praxis, von Lehre und Forschung, von Hoch­schule und Indus­trie, aber auch von Studie­renden und Diszi­plinen unter­ein­ander“, erklärt Rektorin Maren Schmohl. Deshalb sind wir froh, dass es auch in diesem Semester zahl­reiche Arbeiten gegeben hat, bei denen unsere Studen­tinnen und Studenten gemeinsam gear­beitet haben, zum Teil über Studi­en­gänge hinweg.“

Ein Beispiel hierfür ist die App Untox“, die bei der Iden­ti­fi­zie­rung giftiger Pflanzen unter­stützt. Durch sie können Eltern, deren Kinder beispiels­weise beim Wald­spa­zier­gang eine unbe­kannte Pflanze in den Mund genommen und verschluckt haben, anhand einer Bilder­ken­nungs­funk­tion den Namen der Pflanze und ihre giftigen Pflan­zen­teile heraus­finden. Sie haben die Möglich­keit, Erste-Hilfe-Maßnahmen abzu­rufen, durch zwei Klicks eine Vergif­tungs-Infor­ma­tions-Zentrale zu kontak­tieren und dieser die aufge­nom­menen Pflan­zen­bilder schnell und unkom­pli­ziert weiter­zu­leiten („Untox“, Karo­lina Kibler, Luisa Lamparter, Marina Beck, Studi­en­gänge Internet of Things und Kommunikationsgestaltung).

Auch die inter­ak­tive Ausstel­lung Porno­grafie in Perspek­tive“ ist eine Gemein­schafts­ar­beit, mit der Scham und Stig­ma­ti­sie­rung abge­baut, zugleich aber auch Mythen und Miss­ver­ständ­nissen rund um Porno­grafie, die beson­ders bei Jugend­li­chen weit verbreitet sind, entge­gen­ge­wirkt werden soll. In der Ausstel­lung können Besu­chende ab 14 Jahren eine der neun VHS-Kassetten auswählen und sich einen stili­sierten Porno­ab­schnitt auf einem CRT-Fern­seher ansehen. Während des Films erscheinen Pop-ups mit Fragen oder inter­ak­tiven Mini­spielen, die zur Refle­xion über die darge­stellten Szenen anregen. Ziel der Ausstel­lung ist es, den Besu­chenden zu zeigen, dass Porno­grafie nicht die Realität wider­spie­gelt, und sie zu ermu­tigen, gängige Annahmen zu hinter­fragen. („Porno­grafie in Perspek­tive“, Lucia Hossai­nova und Alia Tasler, Studi­en­gänge Inter­ak­ti­ons­ge­stal­tung und Kommunikationsgestaltung).

Die App Sniffly“ wiederum richtet sich an Hausstaub‑, Tier­haar- und Pollenallergiker:innen, die eine neue Allergie entwi­ckelt haben oder neue Symptome im Alltag wahr­nehmen. Die App soll Nutzer*innen dabei unter­stützen, neue Aller­gien zu iden­ti­fi­zieren, die rich­tige Behand­lung für ihre Symptome zu finden und ihren Arzt­be­such vorzu­be­reiten. Sniffly gleicht Daten aus einem Symptom­tra­cker mit Pollen­flug­vor­her­sagen und Wetter­daten ab, ermög­licht das Ausfüllen einer Anamnese und ein regel­mä­ßiges Tracking der alltäg­li­chen Symptome und enthält ein Therapie-Lexikon, in dem alle Arten von Medi­ka­menten und Behand­lungen für Aller­gien erklärt werden. Dabei werden Medi­ka­mente, die hinsicht­lich des Ernäh­rungs­stils, Unver­träg­lich­keiten für Gluten, Laktose oder spezi­ellen Wirk­stoffen für Betrof­fene nicht in Frage kommen, deut­lich markiert.

Auf der Semes­ter­aus­stel­lung der HfG am 14. und 15. Februar 2025 wurden die Abschluss­pro­jekte einer breiten Öffent­lich­keit vorge­stellt. Inter­es­sierte konnten sich über die Heran­ge­hens­weise und die Frage­stel­lungen der Studie­renden infor­mieren, mit ihnen ins Gespräch kommen und zugleich über die Viel­falt der Projekt­ideen und Anwen­dungs­ge­biete ins Staunen geraten. Dabei wurde klar: Anwend­bare, praxis­ori­en­tierte, nach­hal­tige und zugleich auf die Begeg­nung gesell­schaft­li­cher Entwick­lungen und Bedürf­nisse ausge­rich­tete Ideen bleiben an der HfG Schwä­bisch Gmünd nie beim iden­ti­fi­zierten Problem stehen. Sie denken weiter: auf der Suche nach Lösungen, die nicht nur eine Abschluss­ar­beit darstellen, sondern beim Verlassen des Campus‘ auch einer breiten Masse an Menschen zugu­te­kommen können.

Alle Abschluss­pro­jekte der dies­jäh­rigen Semes­ter­aus­stel­lung sind weiterhin online erfahr- und bestaunbar: Unter ausstellung.hfg-gmuend.de können sich Inter­es­sierte durch die Arbeiten klicken, sie liken und kommen­tieren. Dabei sind im Archiv auch die Arbeiten vergan­gener Semester enthalten.